Tipps für die Praxis

Welche Vorteile entstehen durch die Anerkennung eines Behinderungsgrades/Merkzeichens (Nachteilsausgleich) im Kontext Arbeit?

Um behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen, können (schwer-)behinderte Menschen so genannte Nachteilsausgleiche erhalten. Diese sind abhängig vom Grad der Behinderung (GdB) und vom Merkzeichen. Beispiele:

  • besonderer Kündigungsschutz
  • Zusatzurlaub
  • Freistellung von Mehrarbeit
  • Teilzeitarbeit
  • steuerliche Erleichterungen
Was bedeutet Gleichstellung und wie wird diese umgesetzt?

Personen mit einem GdB von weniger als 50, aber mindestens 30 können schwerbehinderten Personen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können. Damit werden sie schwerbehinderten Personen gleichgestellt. Dies hat folgende Auswirkungen:

  • besonderer Kündigungsschutz
  • besondere Einstellungs- / Beschäftigungsanreize für Arbeitgeber
    durch Lohnkostenzuschüsse sowie Berücksichtigung bei der Beschäftigungspflicht
  • Hilfen zur Arbeitsplatzausstattung
  • Betreuung durch spezielle Fachdienste

Ein Gleichstellungsantrag wird formlos bei der Agentur für Arbeit gestellt (mündlich, telefonisch oder schriftlich).

Was muss bei der Krankschreibung beachtet werden?

Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht für 6 Wochen.

Danach besteht Anspruch auf Krankengeld für 72 Wochen innerhalb von 3 Jahren.

Wenn dieser Zeitraum abgelaufen ist, aber nach wie vor AU vorliegt, kann es zu einer „Aussteuerung“ seitens der Krankenkasse kommen. In der Folge werden weder Lohnfortzahlungen noch Krankengeld gezahlt.

Hier sollte rechtzeitig ein Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt werden.

Tritt während der Krankschreibung eine neue Krankheit auf, verlängert sich die Dauer des Krankengeldes von insgesamt 78 Wochen nicht.

Wenn die Krankschreibung innerhalb der ersten 6 Wochen unterbrochen wird, besteht kein Anspruch mehr auf Krankengeld.

Arbeitsunfähigkeit darf im Rahmen des Entlassungsmanagements durch einen Krankenhausarzt bis zu 7 Tage nach der Entlassung aus einer stationären Einrichtung ausgestellt werden.

Eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behandlungsbeginn liegenden Tag ist nur ausnahmsweise, nur nach gewissenhafter Prüfung und i. d. R. für höchstens 3 Tage zulässig.

Die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit soll nicht für einen mehr als 2 Wochen im Voraus liegenden Zeitraum bescheinigt werden (in Abhängigkeit vom Krankheitsverlauf nicht länger als 1 Monat).

„Hamburger Modell“ – die Stufenweise Wiedereingliederung

Die Stufenweise Wiedereingliederung hat zum Ziel, arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach längerer Krankheit schrittweise an die volle Arbeitsbelastung heranzuführen. Dadurch soll der Übergang zur vollen Berufstätigkeit erleichtert werden.

Während einer stufenweisen Wiederaufnahme der Arbeit besteht die Arbeitsunfähigkeit fort (Vordruck 20) und muss entsprechend bescheinigt werden.

Der Arzt erstellt zusammen mit dem Versicherten bei gegebener Voraussetzung den Wiedereingliederungsplan und definiert darin ggf. die Belastungseinschränkung (z. B. „keine Schicht- / Wochenendarbeit“).

Der Arbeitgeber sowie die Krankenkasse müssen dem Wiedereingliederungsplan zustimmen.

Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Zustimmung bzgl. der im Wiedereingliederungsplan festgelegten Maßnahmen bzw. Aussagen zur Prognose.

Die Wiedereingliederung ist individuell verschieden (i. d. R. zwischen 3 und 8 Wochen) und dauert höchstens 6 Monate.

Sie ist im Verlauf verlängerbar und kann unter Berücksichtigung individueller Gegebenheiten in ihren Optionen angepasst werden.

In welcher Höhe liegen Entgeltersatzleistungen im Krankheitsfall?

bei bestehender Arbeitsunfähigkeit und Entgeltfortzahlung (bis zu 6 Wochen): 100 % des Arbeitsentgeltes

bei bestehender Arbeitsunfähigkeit und Krankengeld (ab der 6. Woche): 70 % des Bruttoverdienstes, aber nicht mehr als 90 % des Nettoverdienstes

Übergangsgeld: 68 % des vorher verdienten Nettogehaltes (leben Kinder im Haushalt erhöht sich der Satz auf 75 %) für die Dauer der Reha-Maßnahme

Arbeitslosengeld I: 60 % des vorher verdienten Nettogehaltes (leben Kinder im Haushalt erhöht sich der Satz auf 67 %) für 1 Jahr, für ältere Arbeitnehmer für 2 Jahre

Arbeitslosengeld II (Hartz IV): Regelbedarf beträgt monatlich 404 Euro (hinzu kommen Kosten für Unterkunft und Heizung), Bewilligung für 6 Monate

Der Weg von der Teilrente zur Rente aufgrund voller Erwerbsminderung

Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (Teilrente) kommt in Betracht, wenn aufgrund von Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit (meint: länger als 6 Monate) zwar noch mindestens 3, aber nicht mehr mindestens 6 Stunden am Tag gearbeitet werden kann.

Wenn eine entsprechende Teilzeitstelle auf dem Arbeitsmarkt nicht verfügbar ist, kann die Teilrente nach einem halben Jahr in eine volle Erwerbsminderungsrente (Arbeitsmarktrente) umgewandelt werden – auch, wenn aus medizinischer Sicht noch eine Arbeits­fähigkeit zwischen 3 und 6 Stunden am Tag besteht.

In beiden Fällen ist es möglich, durch „Zuverdienst“ die Rente aufzustocken.

Ärztliche Schweigepflicht

A | Gegenüber wem besteht ärztliche Schweigepflicht?

  • anderen Ärzten
  • Familienangehörigen des Patienten (bei Minderjährigen i. d. R. ab dem 15. Lebensjahr)
  • Familienangehörigen des Arztes
  • Leistungsträgern der gesetzlichen Sozialversicherung (Berufsgenossenschaften, Deutsche Rentenversicherung Bund und Bundes­länder, gesetzliche Krankenkassen) → im Einzelfall darf Auskunft erteilt werden – dies betrifft i. d. R. Anfragen des Medizinischen Dienstes der Leistungsträger, da dieser wiederum unter Schweigepflicht steht
  • Sozialamt bei Anfragen zur Arbeitsfähigkeit
  • privaten Versicherungsgesellschaften
  • privatärztlichen Verrechnungsstellen, Inkassobüros
  • Arbeitgeber hinsichtlich der Diagnose bei Arbeitsunfähigkeit
  • Arbeitgeber hinsichtlich des Untersuchungsergebnisses bei Angebots- und Wunschuntersuchungen der Arbeits- und Betriebsärzte
  • Schweigepflicht gilt auch über den Tod des Patienten hinaus

B | Befugte Brechung der Schweigepflicht

  • Schweigepflichtsentbindung seitens des Patienten
  • mutmaßliche Einwilligung des Patienten in die Entbindung von der Schweigepflicht (z. B. Arzt informiert Familienangehörige eines bewusstlosen Unfallopfers)
  • gesetzliche Offenbarungspflichten / -rechte (z. B. Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz)
  • rechtfertigender Notstand: Güterabwägungsprinzip (wenn ein anderes Rechtsinteresse höherwertig ist, z. B. bei akuter Selbst- oder Fremdgefährdung)
Was bedeutet „Leistungen wie aus einer Hand“?
  • Bei Anspruch auf verschiedene Leistungen zur Teilhabe von verschiedenen Reha-Trägern ist ab dem 01. Januar 2018 ein Reha-Antrag ausreichend, um ein umfassendes Prüf- und Entscheidungsverfahren in Gang zu setzen
  • Es sind immer noch verschiedene Träger für die unterschiedlichen Leistungen zuständig, durch Zustimmung der Leistungsberechtigten können jedoch Fallkonferenzen durchgeführt werden, um z. B. unnötige Mehrfachbegutachtungen und lange Bearbeitungszeiten der Anträge zu vermeiden.
  • An diesen Fallkonferenzen können Beteiligte, sonstige Vertrauenspersonen, Rehabilitationseinrichtungen, Rehabilitationsdienste und Jobcenter sowie sonstige beteiligte Leistungserbringer teilnehmen.

Zusätzlich

Wenn eine private Berufsunfähigkeitsversicherung seitens des Patienten besteht, hat der Patient im Versicherungsfall Anspruch auf Leistungen.

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